Das Verschwinden von Sandra Newman

Eine Welt ohne Männer! Sandra Newman stellt sich in „Das Verschwinden“ genau das vor. In ihrem Roman verschwinden sämtliche Y-Chromosom-Träger plötzlich und lassen teils ratlose, teils traurige und viele feiernde Frauen zurück. Eine die nicht so richtig weiß, ob sie trauern oder feiern soll ist Jane Pearson, aber sie will trotz ihrer Ambivalenz ihren Mann und Sohn wiederhaben und sie glaubt zu wissen, wer ihr helfen könnte. Evangeline Moreau, die Anführerin einer politischen Bewegung, mit der sie auf dem College befreundet war. Als die Beiden aufeinandertreffen verliert Jane für kurze Zeit ihr Ziel die Männer zurückzuholen aus den Augen und widmet sich dem Aufbau einer neuen, einer feministischen Gesellschaft. Doch dann tauchen Videos auf, die Männer in einer surrealen Welt zeigen und immer mehr werden von ihren Frauen und Müttern erkannt. Dann entdeckt Jane eine Möglichkeit die Männer zurückzuholen.

„Das Verschwinden“ habe ich nicht ohne ein gewisses Befremden gelesen und war trotzdem gefesselt. Sandra Newman erzählt hier nicht nur die Geschichte von Evangeline und Jane, sondern richtet den Scheinwerfer auf verschiedene Frauen, die aus unterschiedlichen Verhältnissen kommen. Insgesamt lässt Sandra Newman die männerlose Welt recht schlüssig entstehen und doch hätte ich mir mehr Mut zur Veränderung, zum Beipsiel in den hierachischen Strukturen gewünscht.

Das Verschwinden
Autorin: Sandra Newman
Übersetzerin: Milena Adam
Verlag: Eichborn
ISBN: 9783847901327
Preis: 24,00 €

Babel von R. F. Kuang

Ein fiktives England zu viktorianischen Zeiten. Die Macht des Imperiums beruht auf Silber und auf Sprache. So kommt Robin Swift, ein Junge aus Kanton, nach England. Er wuchs in Kanton auf, seinen chinesischen Namen erfahren wir nicht, nur dass er neben einer Mutter eine englische Governante hatte. Die Mutter stirbt während einer Cholera Epidemie und der junge Robin, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht so heißt, wird von einem Engländer mit Namen Prof. Richard Lovell, nach England gebracht. Dieser erzieht ihn, lässt ihn die klassischen Sprachen und neben Kanotnesisch auch noch Mandarin lernen und schließlich wird Robin in Babel, dem eigentlichen Zentrum der Macht, eingeschrieben, um Silberwerk zu lernen. Denn das Englands Schiffe schneller sind, als die anderer Nationen, dass die Kutschen sicherer fahren, die Bewohner gesünder sind und Gebäude, entgegen alle Regeln der Statik, in den Himmel wachsen, all das beruht auf der Macht des Silberwerkens. Aus der Kombination von Silber und Wortpaaren aus verschiedenen Sprachen.

In Oxford lernt Robin Rami, Victoire und Letty kennen, die ebenfalls für das Studium in Babel zugelassen sind. Es entsteht eine Freundschaft zwischen den Vieren, die nicht nur auf Zuneigung beruht, sondern auch auf ihrer Andersartigkeit. Letty und Victoire sind schon als Frauen Fremdkörper in Oxford, Victoire noch mehr, da sie schwarz ist. Robin und Rami haben ebenfalls mit Rassismus zu kämpfen.

Robin ist stolz in Babel zu sein, er ist klug und wissbegierig und er fühlt sich endlich sicher, bis er auf die Untergrundgruppe Hermes trifft, die dafür kämpft, dass das Silberwerk nicht nur England zur Verfügunge steht, sondern auch den Ländern, die es liefern.

Babel ist eines der Bücher, das man nicht weglegen kann und das man nach Beenden am liebsten sofort noch einmal von Vorne beginnen würde. R. F. Kuang hat eine unglaubliche erzählerische Qualität. Sie schafft es den Leser, die Leserin, in eine andere Welt mitzunehmen und sie teilhaben zu lassen. Etymologische Erklärungen lesen sich nicht als Lehrvortrag, sondern sind mit der Handlung verwoben. Ihre Charaktere sind lebendig in ihrem Hin- und Hergerissensein zwischen Hoffnung, Zweifel und dem Wunsch das Richtige zu tun.

Also kurz gesagt: Eine unbedingte Leseempfehlung

Babel
Autorin: R. F. Kuang
Übersetzerinnen: Heide Franck, Alexandra Jordan
Verlag: Eichborn
ISBN: 9783847901433
Preis: 26,00 € (Hardcover)

Heldenherz von Sven Böttcher

Um es gleich vorweg zu sagen: Das Buch ist nur noch antiquarisch zu erhalten, was ein Skandal ist! Ich hoffe dem wird bald abgeholfen.

Magnus Morgenstern, ist nicht der typische Held. Er ist im Finanzwesen tätig, schummelt sich so durch und redet sich ein, ein ganz toller Typ zu sein. Seine Exfrau sieht es ein wenig anders. Seine Freundin Katharina weiß, dass es eimal einen anderen Magnus gab. Einen für den finanzieller Erfolg und Luxus nicht alles war. Aber das war einmal.

Magnus Leben gerät ein wenig aus der Spur, als ihm eines Morgens aus der Mülltonne heraus ein kleines Männchen im Kapuzenmantel anguckt und ihm mitteilt, dass er der Held ist, der die Welt retten soll. Magnus glaubt, dass einer seiner Freunde ihn auf die Schippe nehmen will, aber weit gefehlt, wie er bald feststellt. In höllischen Regionen brütet der Basilisk einen teuflischen Plan aus und wenn Magnus ihn nicht aufhält, wird es die Hölle auf Erden geben. Also macht er sich widerwillig in Begleitung von Katharina und deren Freund Sebastian auf, die Welt zu retten.

Heldenherz dümpelt schon einige Zeit auf meinem Reader und irgendwie bin ich immer nicht dazu rumgekommen, obwohl ich einiges von Sven Böttcher gelesen habe und das auch noch mit Begeisterung. Nachdem ich nun mit Magnus, Katharina und Sebastian auf Weltrettungsmission war, bin ich hingerissen. Sven Böttcher hat nicht nur Fantasie, sondern auch eine feine Art mit Worten umzugehen, er weiß Klischees einzusetzen, aber auch, wann sie zu brechen sind, damit es nicht flach wird.

Eine unbedingte Leseempfehlung!

Love will tear us apart von C. K. McDonnell

Endlich ist er auch auf deutsch erhältlich, der 3. Teil der Stranger Times Serie. Und so eine Freude. Doch die Geschichte beginnt mit einem schweren Schlag für die Belegschaft. Hannah, die stellvertretende Chefredakteurin, hat sich davon gemacht, angeblich um sich wieder mit ihrem Ex-Mann zu versöhnen. Chefredakteur Banecroft – Irlands Rache für alles, was England den Iren angetan hat -, wie Reginald Fairfax der 3., Geisterexperte, ihn nennt, hat Eheprobleme. Besonders schlimm, da die Gattin schon einige Zeit tot ist, nun aber durch einen Geist zu ihm spricht und seine Hilfe verlangt.

Hannah ist indessen in einem Luxus-Wellness-Resort gelandet, wo dunkle Machenschaften zu vermuten sind.

Der 3. Teil der Serie ist deutlich dunkler als die Vorgänger, aber nicht weniger lustig. Das mag nach einem Widerspruch klingen, ist es aber nicht. Denn C. K. McDonnell ist einer der Autoren, die ein gutes Gespür für Ausgewogenheit haben … und für Charaktere.

Es war wieder einmal eine Freude.

Lob auch für den Übersetzer André Mumot. Eine gute Übersetzung macht aus, dass der Leser, die Leserin, vergisst, dass das Buch ursprünglich in einer anderen Sprache geschrieben wurde. Das ist hier der Fall.

Zum Schluss möchte ich noch empfehlen, in jedem Fall Danksagung und Nachwort zu lesen. Bonuslacher garantiert.

Love will tear us apart
Autor: C. K. McDonnell
Übersetzer: André Mumot
Eichborn Verlag
ISBN 978-3-8479-0149-5
Preis: 24,00 €

Milch oder Blut von Liza Cody

Seema Dahami ist Mitte 20, lebt in London, Vegetarierin, hat einen Freund mit dem sie gut zurecht kommt aber auch nicht mehr, weniger gut kommt sie mit ihrer koscher lebenden Mutter zurecht, die ihrerseits nicht viel positives über ihre Tochter zu sagen hat. Seema ist Gärtnerin aus Leidenschaft, neben kleinen Vorstadtgärten, Terrassen und Blumenkästen, bepflanzt sie auch eine Verkehrsinsel. Eigentlich ein langweiliges normales Leben, ohne große Aufregungen, womit es allerdings schnell vorbei ist, als sie eines abends Lazaro kennenlernt, einen sehr viel älteren, kultivierten Herrn.

Milch und Blut nicht zu mischen ist die einzige jüdische Speiseregel, die für die sonst nicht gläubige Seema Sinn macht. Ansonsten glaubt sie nicht an das Übersinnliche. Doch was, wenn ihr neuer Freund vielleicht ein Vampir ist? Seit der Begegnung mit Lazaro kommt so einiges ins Schwanken in Seemas Leben und so undurchsichtig ihre neuen Bekannten sind, so klar wird ihr was sie bei den ihr vertrauten Menschen übersehen hat.

Liza Cody lässt sich auch bei dieser Geschichte nicht von einem Genre einengen. Sicher es gibt eine Kriminalgeschichte, aber da ist auch soviel mehr. Die Autorin lässt ihre Protagonistin äußerst geschickt, zwischen Traum und Wirklichkeit den Weg zu sich selbst finden. Eine absolute Leseempfehlung.