Abgrund von Stefán Máni

1997, Sölvi ist 10 Jahre alt und verbotener Weise mit seinem Cousin und dessen Freunden auf einen See herausgerudert. Er geht über Bord und kurz bevor er das Bewusstsein in der Tiefe verliert, erscheint ihm ein Mädchen in seinem Alter und reicht ihm einen schwarzen Stein, fast wie Obsidan. Sölvi wird gerettet.

2017, Sölvi ist 20 Jahre alt, lebt in Reyjavik mit seiner Freundin Edda. Bei einem Clubbesuch trifft er seinen Cousin und dessen Freunde, mit denen er damals auf dem See unterwegs war. Die Drei sind aufgedreht und reden für Sölvi unverständliches Zeugs über das Böse und dass man es feiern muss. Sölvi mag sie nicht, aber er ist arbeitslos und als sein Cousin ihm einen Job in der Immobilienfirma seines Vaters anbietet, greift er zu. Er fühlt sich nicht wohl unter diesen skrupellosen Typen, die er immer dunklerer Machenschaften verdächtigt, und eben auch daran dem Verschwinden einer jungen Frau Schuld zu sein.

Abgrund ist kein typischer Kriminalroman, denn er hat eine surreale, mythische Ebene. Sölvi ist in gewisser Weise ein Träumer und würde am liebsten den Kopf in den Sand stecken und einfach irgendwie durchkommen, doch ab einem gewissen Punkt steht er gegen das Böse auf und sucht nach Beweisen gegen die Dreierbande. Nicht immer geschickt, aber doch sehr konsequent.

Fazit: Sehr dunkel, aber auch sehr gut!

Abgrund
Autor: Stefán Máni
Übersetzer: Karl-Ludwig Wetzig
Verlag: Polar
ISBN: 9783948392833
Preis: 17,00 €

Hamburg Noir – Herausg. Jan Karsten

Hamburger Autoren und Autorinnen erzählen Geschichten, die in ihrer Stadt spielen. Sie gehen in die dunklen Ecken und zeigen, dass auch im hellen und glänzenden Harvesthude, Wedel, Blankenese und an der Elbchaussee, das Dunkle durchaus präsent ist. Im Vorwort zitiert der Herausgeber Jan Kasten Heinrich Heine, der einmal über Hamburg sagte:

Hamburg ist am Tage eine große Rechenstube und in der Nacht ein großes Bordell

Man könnte sagen, dass sich die Geschichten zwischen diesen Polen bewegen. Ob es nun Nora Luttmers vietnamesische Bistrobetreiberin in Rothenburgsort ist, die auf ihre Art mit Schutzgelderpressern umgeht oder Ingvar Ambjørnsens Spaziergänger, der sich am Ring 2 zwischen einer versiffter Kellerkneipe, „in der er mit sich alleine trinkt“, und hipper Weinbar bewegt und dabei über Leben und Tod sinniert oder Zoë Becks Jachtbesitzer, der seinen Anwalt braucht, da ein Segler in seiner Schiffsschrauber zerschreddert wurde. Alle sind sie da. Die die ganz oben, die die auf dem Weg nach unten oder oben sind und die, für die es nicht mehr tiefer geht. Ein Stadtbummel der besonderen Art und für mich, als Ex-Hamburgerin, eine große Freude viele vertraute Ecken wieder zu entdecken. Doch man muss Hamburg nicht kennen, um die Geschichten zu schätzen. Aber ich kann versprechen, wer es auf diese literarische Art entdeckt, wird Lust bekommen, es sich live und in Farbe anzusehen.

Hamburg ist das vierte Buch in der Noir Reihe des Culturverlags und macht große Lust, sich auch die anderen einmal genauer anzusehen.

Hamburg Noir
Herausg. Jan Karsten
Verlag: Culturbooks
ISBN: 978-3-95988187-6
Preis: 18,00 €

Aliens Bändigung von Ken Bruen

Aliens Bändigung ist das 2. Buch der White-Trilogie.

Es ist nicht die feinste Ecke Londons in der Detectiv Sergant Brant sein Wesen (oft genug auch sein Unwesen) treibt.

Fenton (genannt the Alien) erhält den Auftrag Brant einen Denkzettel zu verpassen, denn im ersten Teil der White Trilogie, Saubermann, ist es ihm gelungenen so ziemlich jedem auf die Füße zu treten. Sein Markenzeichen. Fenton, hat sich mit diesem Auftrag sein Ticket nach San Francisco verdient, um sich an seiner Ex-Frau zu rächen. Brant führt es auch in die USA, aber nach New York, wo er eine Gefangene abholen soll, die mit verantwortlich ist, für den Tod eines Kollegen. Während also Fenton mit einem Baseballschläger seine Ex-Frau Stella besucht, treibt sich Brant in New York herum.

Es ist immer ein Fest Ken Bruen zu lesen, der einen ganz eigenen Stil hat. Kurze Kapitel, kurze Sätze, die sich mit geradezu poetischen Sequenzen abwechseln und einen gnadenlos schwarzen Humor. Bruen braucht eine Szene nicht detailgenau beschreiben, ein Satz und das Bild ist im Gehirn des Lesers, der Leserin. Seine Figuren sind immer vielschichtig und oft ist nicht zu unterscheiden, wer krimineller ist, die eigentlichen Gauner oder die Cops.

Absolute Leseempfehlung!

Aliens Bändigung
Autor: Ken Bruen
Übersetzerin: Karen Witthuhn
Verlag: Polar
ISBN: 9783948392543
Preis: 15,00

Steinigung von Peter Papathanasiou

Das Städtchen Cobb im australischen Outback ist ein Ort der von Armut, Rassismus, Drogen, Alkohol und Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Wer irgend kann geht in eine der größeren Städte, doch die meisten hängen dort fest. Cobb ist auch die Heimatstadt von DS Manolis, der dorthin gerufen wird, um den Mord an der Grundschullehrerin Molly Abbott zu klären. Diese wurde eines Morgens gesteinigt aufgefunden. Der Zorn der Bevölkerung kocht und richtet sich sofort auf das Flüchtlingslager, das den meisten eh ein Dorn im Auge ist, da es doch nicht die versprochenen Jobs gebracht hat. Ein Grund den Täter dort zu suchen, ist natürlich die Steinigung, denn man ist sich im anständigen Cobb einig, dass sowas ja nur diese „Kameltreiber“ machen. Manolis Erscheinen wird ebenfalls nicht besonders freundlich aufgenommen und erfährt so auch keine Unterstützung vom dienstältesten Beamten, der sich lieber in die Kneipe verfügt. Nur zwei Contabler, Sparrow ein Aboriginal und Kerr, eine junge Frau, helfen. Doch die Mittel sind begrenzt und die Animositäten zwischen Whitefellas, Blackfellas und den Asylbewerbern beherrschen den Alltag.

In der ersten Hälfte des Buches, bleibt das Opfer merkwürdig blass. Man erfährt eigentlich nur, dass sie Grundschulerlehrerin war und jeder sie mochte. Es scheint sich auch, außer DS Manolis, niemand wirklich dafür zu interessieren, wer sie letzlich getötet hat und da die Polizei im Flüchtlingslager eh nichts machen kann, dort gelten eigene Regeln, lässt man es so. In diesen Lagern herrscht Willkür seitens des Wachpersonals und der Leitung. So scheint auch Manolis anfangs gegen Mauern zu laufen, egal wohin er sich wendet.

Steinigung ist ein untypischer Krimi, sicher es gibt einen Mord, Polizistin und der Ermittler hat sogar eine persönliche Geschichte, doch der Schwerpunkt scheint sehr viel mehr auf den politischen Themen zu liegen. Die Vielschichtigkeit des Rassismus. Die Aboriginals hassen die Weißen und vice versa und vereint sind sie im Hass auf die Asylbewerber. Von der Regierung fühlen sich alle drei Gruppen gleichermaßen in Stich gelassen. Es ist kein schönes Bild, was Peter Papathanasiou zeichnet, aber eines das der Realität entspricht und das nicht nur in Australien.

Steinigung
Autor: Peter Papathanasiou
Übersetzer: Sven Koch
Verlag: Polar
ISBN: 978-3-948392-70-3
Preis: 17,00 €

Pickard County von Chris Harding Thornton

Nebraska 1978, eine der Ecken des Bundesstaates, in dem die kleineren Höfe verlassen sind, es kaum Arbeit gibt, viele in Trailerparks leben und Ehefrauen schon mal mit dem Pick Up über ihre Ehemänner fahren oder sich erschießen. Das ist die Gegend, in der Chris Harding Thornten, ihren Erstling angesiedelt hat. Harley Jensen, der Hilfssheriff einer kleinen Stadt, verfolgt seine persönliche Nemesis, Paul Reddick. Paul ist einer von denen, die genau wissen, wie sie jemanden den letzten Nerv rauben, denen man aber auch nie richtig etwas anhaben kann. Pauls ältester Bruder wurde als Kind ermordet und seine Leiche nie gefunden, obwohl die ganze Gegend wieder und wieder durchkämmt wurde. Dieser Mord lastet auf den Menschen der Stadt. 20 Jahre nach Dell jun. Ermordung, bekommt Harley es mit einer Reihe von Brandstifungen zu tun. Kleidung von Verstorbenen wird auf alten Höfen verbrannt und natürlich gerät Paul in Verdacht.

Um es gleich vorweg zu nehmen, es ist kein typischer Krimi, den Chris Harding Thornton da geschrieben hat, es ist sehr viel mehr. Eine Studie über das ländliche Nebraska, ein Millieu in dem die Autorin aufgewachsen ist. Neben der Spannung wer denn nun wirklich der Brandstifter ist, ob Dell jun. Leiche noch auftaucht und ob Pam, der Ehefrau von Rick, einem weiteren Bruder des Ermordeten, die Flucht aus ihrer Ehe und aus der Stadt heraus gelingt, sind es die Charaktere und die Erzählweise, die dieses Buch zu einem besonderen Leseerlebnis machen.

Pickard County wurde von Kathrin Bielfeldt aus dem Amerikanischen übersetzt und das Buch wurde von Jürgen Ruckh herausgegeben. ISBN 978-3-948392-64-2, Polar Verlag, Preis: 16,00 €

Kalte Herzen von Gunnar Staalesen

Hege, eine Prostituierte, in der Varg Veum, eine frühere Schulfreundin seines Sohnes erkennt, bittet ihn um Hilfe. Maggie, eine Kollegin, ist verschwunden, nachdem sie panisch einen Freier abgelehnt hat. Veum, der früher Sozialarbeiter war, sieht sich um und gerät in immer tiefergehende Verstrickungen, die zum Teil in der Vergangenheit ihre Wurzeln haben. Denn nicht nur Maggie ist verschwunden, sondern auch ihr Bruder, der auf Freigang war. Zu allem kommt noch, dass auch die Zuhälter von Maggie und Hege nicht gerade glücklich über Veums Ermittlungen sind, denn denen ist gerade ein Drogendeal schiefgegangen und der gute Varg, kommt auch dieser Sache sehr nahe.

Kalte Herzen ist Varg Veums 16. Fall und es wird nicht langweilig. Der Autor hat die Handlung in 1997 angelegt, in eine Zeit, in der noch nicht jeder E-Mail hatte und eben auch noch keine Smartphones vorhanden waren. Die Handlung ist auch ohne dies rasant und interessant. Gunnar Staalesen ist einer der Autoren, die in einem spannenden Plot Sozialkritik anbringen können, ohne arrogant zu wirken. Vor allem hat er kein Problem damit, hinter die Fassade der Wohlanständigkeit zu schauen. Mittlerweile gibt es 19 Varg Veum Bücher und ich hoffe doch sehr, dass die drei, die noch nicht in deutscher Übersetzung vorliegen noch kommen.

Gunnar Staalesen lebt in Bergen, wo auch die Handlung dieses Buches angelegt ist.

Kalte Herzen, ISBN 978-3-048392-60-4, Preis: 16,00, Übersetzer:innen: Gabriele Haefs & Nils Hinnerk Schultz, Herausg. Jürgen Ruckh.